darüber, dass es keine quick fixes gibt.
Ich dachte, ich teile auch mal eine meiner persönlichen Geschichten mit Euch, denn auch ich habe eine Schmerz- und Verletzungshistorie, die sich sehen lassen kann. Eine dieser Geschichten hat schlussendlich möglicherweise ein Happy End gefunden (klopf bitte auf Holz für mich!). Diese Geschichte ist ein gutes Beispiel dafür, wie nicht ein Sturm im Wasserglas aus guten Vorsätzen meine Probleme gelöst hat, sondern Geduld und Spucke und Dranbleiben und das nicht über ein paar Wochen oder Monate, sondern Jahre. Und die Geschichte geht in etwa so:
Achillessehnenentzündungen können die Lebensqualität und Bewegungsfähigkeit einschränken und sollten unbedingt nachhaltig behandelt werden. Bildquelle: Canva
gender-bias in der orthopädie
Als man mir nach jahrelanger Schmerz- und Ärzte-Odysee 2019 ein Hüftimpingement und eine nicht zu verachtende Arthrose diagnostizierte und ich mich aufgrund meines Alters und der damit verbundenen positiven Prognose dazu entschieden habe, das Hüftgelenk arthroskopisch modellieren zu lassen, musste ich leider mein geliebtes Laufen erstmal aufgeben.
Im übrigen konnte ich hier live am eigenen Leib erfahren, wie man aufgrund seines Geschlechts medizinisch falsch oder gar nicht behandelt wird. Ein Hüftimpingement ist nämlich typisch für junge, männliche Fußballer und irgendwie passte ich anscheinend trotz ziemlich viel Sport nicht in das Schema F. Die Hüfte wird bei Frauen erst behandelt, wenn sie in einer Teil- oder Totalendoprothese ersetzt wird, was meistens erst ab 50+ der Fall ist, aber nicht mit Mitte-Ende Dreißig.
Ein Orthopäde diagnostizierte Schambeinentzündung, eine Yogalehrerin sagte, der Psoas, mein Seelenmuskel, halte zu viel Trauma (habe hier sehr mit meinem dritten Auge gerollt) und eine andere Yogalehrerin sagte ich müsse einfach weiter üben, damit ich mich in den Lotussitz zwängen könnte. Dann würde alles gut werden, wäre bei ihr auch so gewesen. Ein Osteopath meinte, ich hätte Verklebungen der Eierstöcke mit dem Darm und drückte durchaus sehr schmerzhaft auf meinem Unterleib herum. Er verschrieb mir Trinkmoor. Einen weiteren Physiotherapeuten fragte ich, ob er meine, ich solle da mal mehr Kraft aufbauen und er sagte, auf keinen Fall, ich wäre ja schon sehr muskulös, vielleicht sei das eher mein Problem.
Als mein Orthopäde nun schwarz auf weiß vor sich liegen hatte, dass mein Oberschenkelknochen und die Hüftpfanne nicht mehr zusammenpassen und ich mir anscheinend auch den Puffer, das Labrum, bereits dadurch abgerissen hatte, empfahl er mir zunächst auf Radfahren umzusteigen, möglichst aufrecht sitzend. Dann hätte ich noch gute 15 Jahre. Ich fragte ihn, was einem vergleichbar ambitionierten, männlichen Hobbyathleten empfehlen würde, und er druckste ein bisschen rum, bis er zugab, in dem Fall schon eher zur OP zu raten. Aber ich hätte ja auch Kinder, das wäre ja möglicherweise schwierig im Familienalltag, denn man dürfe die ersten 8 Wochen nicht ohne Krücken laufen. Es war also für ihn scheinbar akzeptabler als Frau und Mutter 15 Jahre lang weiter mit Schmerzen rumzuhampeln und nur zu radeln (radeln ist super, wenn es dem Fitnesszustand angemessen ist) und dafür der Familie zur Verfügung zu stehen, als kurz aus dem Alltagsleben auszusteigen und dann mögllicherweise -auch nur kurz- unbequem für die Familie zu sein und dafür aber langfristig sportlich aktiv bleiben zu können. Got it. Ich entschied mich für die OP. Vielleicht war ein wenig Trotz dabei, denn auch wenn ich die OP heute als genau die richtige Entscheidung betrachte, habe ich sie kurz nach dem Aufwachen aus der Narkose schwer bereut. Holy Moly! So fühlte es sich also an, wenn einem am Hüftgelenk herumgesäbelt wird. Kein Spaß sagen ich Euch! Es ging mir nicht gut, gelinde gesagt. Nicht nur, dass ich wahrscheinlich anscheinend keine Narkotika vertrage und zwei Tage lang das Krankenzimmer vollgekotzt habe, wann immer mir ein Tropf mit Novalgin angehängt wurde (was ich irgendwann dankend ablehnte und ab da wurde es besser), sondern die Schmerzen und vor allem die Bewegungseinschränkungen mich trotz intensiver theoretischer Vorbereitung einfach überfahren haben. Soviel zu Theorie und Praxis also. Vielleicht habe ich auch ein bisschen geweint, weil ich glaubte, die falsche Entscheidung getroffen zu haben und das nicht nur aufgrund meiner eigenen Schmerzen, sondern auch, weil mit auf meinem Zimmer Beispiele an Patientinnen lagen, wie es am Ende werden kann, wenn es richtig beschissen läuft. Diese Erfahrung hat mich geprägt und bis heute schöpfe ich daraus täglich Motivation und Ansporn, mich um meinen Körper zu kümmern. Das, so schwor ich mir, wollte ich mir auf jeden Fall ein zweites Mal ersparen! Übrigens auch ein Grund, warum ich besonders für die Hüfte eine rigorose Prävention empfehle. Dieser Erfahrung sollte sich nämlich jede:r ersparen wollen. Hört auf die Kriegsveteranin.
wofür ich mir unendlich dankbar bin
Weil ich die Nase voll hatte von der dilettantischen Beratung und Diagnostik im Vorfeld machte mich außerdem selbst rund um die OP zur Hüftexpertin, denn ich wollte wissen, was ich alles tun kann, damit die Rehabilitation so erfolgreich wie möglich verlaufen würde. Das hat mich vom Laufen und funktionellem Krafttraining zu Krafttraining mit schwerem Gewicht gebracht. Ich habe dann auch brav schon vor der OP begonnen, ganz viel Krafttraining zu machen, um vor allem meine Hüfte bulletproof abzusichern. Das hat auch ganz wunderbar geklappt und ich bin mir selbst dafür wirklich unendlich dankbar. Ich kann ohne schlechtes Gewissen sagen, dass ich das sehr gut gemacht habe, denn ich konnte schon wenige Wochen nach der OP mein Bein wieder einigermaßen belasten und viel früher kurze Wege ohne Krücken laufen, als es normalerweise der Fall ist.
Krafttraining gehört zu einem ganzheiltichen Schmerzmanagement nicht nur dazu, es sollte die Basis sein. Bildquelle: Canva
lektionen in demut
Außerdem muss ich sagen, dass diese ganze Geschichte mein Dasein als Yogalehrerin auch nochmal positiv beeinflusst hat. Zunächst einmal ist mein Unterrichtsstil dadurch viel moderater geworden. Davor war ich wohl eher bekannt dafür, dass meine Stunden sehr anstrengend waren und auch möglicherweise nicht besonders erreichbar für jeden, auch wenn ich das immer dachte. Ich konnte mich aufgrund meiner Erfahrung viel besser in Menschen mit Einschränkungen einfühlen und habe mich bewusst für einen einfachen, weniger akrobatischen Stil entschieden. Was allerdings nicht unbedingt bedeutet, dass meine Stunden weniger anstrengend sind, nur eben auf eine andere Weise. Die zweite Sache, die mich einfach unfassbar wertvolle Lektionen gelehrt hat, war, dass ich für 8 Wochen nach der OP meine Hüfte nicht über 90° beugen durfte. Also von Kindeshaltung über die Krähe bis hin zu Drehsitz usw. durfte ich das alles nicht machen. Es wäre auch nicht gegangen. Also musste ich kreative Wege finden, um aus dem herabschauenden Hund nach vorne zu kommen und mich aufzurichten ohne Vorbeuge. Mein erster Impuls war natürlich: geht nicht. Aber das stimmte natürlich nicht. Nachdem ich meinen Trotz überwunden und mich den Möglichkeiten geöffnet habe, habe ich in dieser Zeit tolle Flows für mich kreiert, Yoga an der Wand entdeckt und meine Pilates-Praxis auf ein nächstes Level gebracht. Überhaupt Pilates Leute! Macht mehr Pilates, wenn ihr Probleme mit der Hüfte habt! Alles in allem hat mich diese Zeit mehr Demut gelehrt. Mehr Demut gegenüber dem, was mein Körper leisten kann, davor überhaupt das Privileg zu besitzen, sich bewegen zu dürfen und zu können und gegenüber der Zeit. Wir sind immer viel zu schnell in unseren Erwartungen, zu ungeduldig und werfen allzu oft die Flinte schon am Anfang ins Korn. Besonders dieses Learning sollte mir im weiteren Verlauf dieser Geschichte von Nutzen sein.
meine achillesferse ist meine achillesferse
Als ich dann Anfang 2022 wieder beginnen wollte zu laufen, hatte ich dank meiner Hingabe an das Krafttraining und die entsprechende Ernährung sage und schreibe 5-6 kg Muskeln zugelegt. Gut für mich und meinen Stoffwechsel, aber offensichtlich nicht für meine Fußgelenke. Denn ständig hatte ich Reizungen der Achillessehne und Schmerzen im Fußgelenk und Schwellungen nach dem Laufen. Arthrose ist wahrscheinlich auch hier beteiligt, aber darüber weiß ich genug, dass es kein K.O.-Kriterium sein muss, eine entsprechende Diagnostik finde ich jedenfalls zu diesem Zeitpunkt noch überflüssig. Auch hatte sich natürlich mein Laufstil durch die OP und Reha komplett verändert und ich hatte Kompensationsmechanismen entwickelt. Veränderung mag das Nervensystem ja erstmal gar nicht, egal ob sie positiv ist oder nicht. Nach jedem Lauf jedenfalls hatte ich überall Verspannungen und Schmerzen, von den Füßen bis in die Schultern. Alles in allem also kein schönes Erlebnis und wahrscheinlich bringe ich eine gute Portion sportlichen Masochismus mit, dass ich mich dem immer wieder ausgesetzt habe, oder einfach sehr viel Vertrauen, dass es eben doch noch gehen wird.
Es musste also ein Alternativprogramm her. Neben den tollen Übungen, die Dominik und ich übrigens auch in unserem Buch empfehlen (es ist wieder lieferbar und hier erhältlich), musste ich Trainingseinheit um Trainingseinheit meine Lauftechnik verändern und optimieren und Kraft und Beweglichkeit an den richtigen Stellen aufbauen. Aber es wollte nicht so, wie ich gerne wollte, auch wenn mein Anatomiewissen in dieser Zeit natürlich exponentiell gewachsen ist. Es lief nicht gut und jeder Lauf stresste mich zusätzlich.
wie ich eine richtig gute schwimmerin wurde und es doch bleiben ließ
Angst vor Schmerzen macht Schmerzen schlimmer. Das weiß ich eigentlich nur zu gut, aber es ist ja auch nochmal was anderes, das am eigenen Leib zu erfahren. Nach einem Jahr war ich so weit aufzugeben und zu sagen, dann laufe ich halt weniger und schwimme mehr. Ich buchte eine Personal Trainerin und lerne richtig gut schwimmen. Ich bin meiner Trainerin Edna dafür bis heute unendlich dankbar, denn ich schwimme inzwischen richtig gut und gerne. Etwas, das ich ehrlich gesagt nie für möglich gehalten hätte. Es fühlt sich schön an, so leicht durchs Wasser zu gleiten, wenn man seinen Rhythmus gefunden hat. Trotzdem ist Schwimmen einfach nicht mein Sport. Nur, weil man etwas gut kann, bedeutet es nicht, dass man es auch gerne tut. Wieder eine Lektion gelernt.
trial and error
Irgendwas in mir wollte auch einfach nicht glauben, dass ich meine Laufschuhe an den Nagel hängen muss. Ich bin auch sowieso niemand, der schnell aufgibt, auch wenn jeder hier inzwischen mit großem Verständnis nickte, wenn ich von meinen nicht ganz ernst gemeinten Plänen sprach, aufzugeben. Also habe ich weitergemacht: Lauftechnik, Kraft, Heulen vor Frust, Fuß kühlen, pausieren, von vorne beginnen. On repeat. Im Sommer 23 war ich bei einer Laufanalyse und der nette Herr dort war sehr ehrlich und sagte mir, wenn ich für mein Gewicht, das ich mit Muskelaufbau von ehemals 68 kg (auch das für eine Läuferin schon eher schwer) auf 75kg gebracht hatte, entsprechend starke Füße haben will, müsse ich mich mehr quälen, sprich Kraft mit mehr Last aufbauen, mehr Explosivität durch Sprünge und plyometrisches Training, um die Elastizität zu steigern. Gesagt, getan und dankbar für diesen Wink mit dem Zaunpfahl ging ich frisch ans Werk. Es klang einfach sehr logisch für mich und Logik siegt. Immer. Schließlich wirkt beim Laufen das doppelte bis dreifache Gewicht auf den Fuß. Dann sind es nicht 5kg mehr, sondern eher 10-15 und das ist dann ja schon ein großer Unterschied. Bei jedem Laufschritt wirken auf meine Füße also mindestens 225 kg, die ich abfangen und wieder vom Boden wegfedern muss. Auch übrigens ein Grund, warum man seine Füße mit viel Gewicht aufbauen sollte und nicht nur mit 10kg Hanteln. Mit mehr Gewicht die Kraft aufzubauen, lag also mehr als nahe. Ein guter Plan. Nur, dass er nicht ganz aufzugehen schien und wieder erstmal alles schlimmer wurde. Mehr Achillessehnenschmerzen, Aua Fuß, Frust, Hmpf. Es muss doch gehen, schließlich ist der Mensch zum Laufen gemacht, dachte ich. Also noch mehr Lauftechnik. Youtubevideo um Youtubevideo. Kadenz, Aufrichtung, Bodenkontakt, Beckenstabilität, Fußführung. Laufen war inzwischen nicht mehr nur körperlich anstrengend, sondern auch mental.
und was ist mit supplements?
Und an dieser Stelle fragen vielleicht schon einige: und was ist mit Supplements? Und antientzündlicher Ernährung? Nun, letzteres ist ein eher schwammiges Konzept und ohne hochnäsig klingen zu wollen, kann ich mit Überzeugung sagen, dass eine gesunde Ernährung nicht mein Thema ist. Aber ich habe doch etwas verändert, und zwar habe ich nach und nach meinen Ballaststoffgehalt in der Ernährung erhöht in dieser Zeit und ich glaube, dass auch das dem Happy End dieser Story zuträglich war, denn wenn etwas antientzündlich ist, dann sind es Ballaststoffe. Maßgeblich jedoch hat hier das Training gewirkt. Bei den Supplementen habe ich den wissenschaftlichen Ansatz versucht 20-30 g Kollagen und 2-3g Vitamin C pro Tag zu mir zu nehmen. Dies soll die Achillessehne und natürlich auch weitere Strukturen festigen. Man kann bei diesem Procedere in manchen Fällen eine Zunahme der Zugkraft und Dicke der Achillessehne messen, allerdings auch nur in Kombination mit dem entsprechenden Training. Da bei mir aber die Dicke und Stabilität der Achillessehne überhaupt kein Thema ist, hatte dies vermutlich auch nur wenig Wirkung. Nach etwa 3 Monaten, habe ich also davon abgelassen. Gute Dienste hat mir in manchen Fällen der Weihrauchextrakt Boswellia serrata geleistet, für den es ein paar Daten zu Kniearthrosen und aus dem Leistungssport gibt. Boswellia kann Entzündungen lindern und eingenommen für etwa 14 Tage unterstützen und hier hatte ich tatsächlich das Gefühl, dass es wirkt. Auch etwas, was ich aufgrund weniger beschriebener Nebenwirkungen zumindest als Versuch empfehle.
oder sind es doch die wechseljahre
Ein weiteres Thema, das ich Euch auch nicht verschweigen möchte, ist, dass auch ich mit meinen inzwischen 41 Jahren nicht vor Symptomen der Wechseljahre gefeit bin. Schließlich sind Plantarfaszitis, Achillessehnenentzündungen und Schmerzen im Fußgelenk bei Frauen in den Wechseljahren durchaus prävalent. Ich kann die Möglichkeit also nicht ausschließen, dass auch meine Hormone mich an dieser Stelle ärgern wollen. Da es aber unwahrscheinlich und bisher nicht nachgewiesen ist, dass eine Hormonersatztherapie bei Gelenkschmerzen wirksamer ist, als Krafttraining, bin ich derzeit noch der Überzeugung, dass dieser Weg der bessere ist, wenn auch natürlich anstrengender. Es geht immer um die Basics und auch die Wechseljahre werden erträglicher, wenn man gut schläft, sich ausreichend bewegt, gut isst und seinen Stress im Blick hat. Klingt jetzt so leicht, ist aber in der Umsetzung oft sehr unbequem, ich weiß. Wenn ich aber diesen Aufwand scheue, werden mir Medikamente und Co. nur bedingt weiterhelfen. Auch wenn ich Medikamente nehme, die absolut ihre Berechtigung haben, wenn sie notwendig sind, wirken sie besser, wenn sie auf fruchtbaren Boden fallen.
mit eisbaden schmerzen lindern
Auch unbequem, aber im Schmerzmanagement für mich unheimlich wirksam, war und ist das Eisbaden. Durch intensive Kälte schalten wir den Schmerz im Gehirn vorübergehend aus, weil es wichtiger ist, nicht zu erfrieren. Außerdem ist eine entzündungshemmende Wirkung in manchen Fällen belegt. Nach dem Laufen also in die Kälte zu hüpfen gehört definitiv für mich dazu und es gehört auch zu den Dingen, die ich empfehle. Natürlich müssen hier alle Sicherheitsvorkehrungen gewahrt werden und es muss auch kein Eisbad sein. In den meisten Fällen reicht Leitungswasser mit etwa 15°C aus. Eine kalte Dusche oder Badewanne ist also in den meisten Fällen absolut ausreichend und möglicherweise auch wirkungsvoller. Aber dazu an anderer Stelle mehr. Höre hier auch gerne in den Podcast mit Domnik Barkow rein.
Eisbaden ist für mich ein wirksames Mittel bei Schmerzen, die Forschung dazu ist jedoch bestenfalls gemixt. Das sollte also jeder selbst entscheiden und auf Sicherheit achten.
barfußschuhe ja oder nein? it depends.
Und wenn du dich gerade fragst, ob ich manchmal zu Besessenheit neige, dann liegst du vielleicht nicht ganz falsch. Allerdings hatte ich zwischen all den frustigen Erlebnissen trotzdem auch das leise Gefühl, dass es irgendwie besser wurde, nur halt quälend langsam und kaum messbar. Irgendetwas in mir hatte Vertrauen. Möglicherweise wurden die Abstände größer, in denen ich mit heißen Achillessehnen auf einem Coolpack lag. Möglicherweise wurden meine Sprünge beim Läufer-ABC elastischer und höher. Möglicherweise wurde mein Laufstil effizienter. Ich experimentierte mit Vorderfuß, Mittelfuß und Sprint und ging mehr walken und spazieren. Ich glaube auch, dass ich in den letzten fast fünf Jahren nahezu jedes mögliche Schuhmodell, barfuß gerecht oder nicht, getestet habe. Aber es war nicht der Schuh. Es ist nie der Schuh. Es ist immer der Fuß. Trotzdem muss ich sagen, dass ich nach 15 Jahren nahezu religiöser Verfechtung von Barfußschuhen meine Meinung hinsichtlich des Laufens ändern musste und das ist mir irgendwie ziemlich schwer gefallen. Während man also auf jeden Fall (!) natürlich seine Füße kräftigen und von zu engen Alltagsschuhen befreien sollte, sollte man auch die Fähigkeit des Gehens und Laufens so lange und gut wie möglich zu erhalten. Zu Hause und im Alltag, wenn man eher wenig geht, minimale Barfußschuhe zu tragen, halte ich nach wie vor für eine gute Möglichkeit, wenn man sie denn umsetzen kann, was auch wieder nicht für jeden funktioniert. Legt man längere Strecken zurück und will joggen und laufen, darf man Hilfsmittel benutzen, wie bei jeder anderen Sportart auch. Also die Fähigkeit zu erhalten und dafür die entsprechenden Schuhe zu nutzen, die einem die Arbeit erleichtern, anstelle nicht mehr zu gehen und zu laufen, weil man auf Barfußschuhen beharrt, halte ich für die bessere Variante.
kraftklub.
Mein Ziel war es bei dieser ganzen Sache nie, mal wieder einen Halbmarathon zu laufen. Ich wollte einfach wieder dieses Gefühl von Fliegen und Leichtigkeit beim Laufen haben. Dann, wenn man das Gefühl hat, die Füße berühren kaum noch den Boden und das Runner’s High ein großes Grinsen auf das Gesicht zaubert. Ich wollte einfach nur meine kleinen Feierabendrunden durch die Felder so easy wie früher durchtraben, ohne das Gefühl zu haben, am Boden festzukleben oder gleich ganz aufhören zu müssen, weil man Angst hat, die Achillessehne könne jeden Moment reißen. Das war alles, was ich wollte.
Im September letzten Jahren habe ich mich entschieden nach Jahren des Home-Workouts ins Fitnessstudio zu gehen. Ich war den Gewichten, die mir zu Hause zur Verfügung standen, sowieso entwachsen und da Progression ein wesentlicher Bestandteil eines sinnvollen Krafttrainings ist, war der Weg ins Studio überfällig. Dort angekommen, konnte ich also den Aufbau meiner Fuß- und Wadenmuskulatur wahrscheinlich endlich mit dem Gewicht machen, was ausreichend für die notwendige Anpassung war, denn nach wenigen Wochen tat sich auf einmal etwas, um nicht zu sagen, es tat sich sehr viel. Ich konnte nicht nur meinen Laufstil fuß- und waden-schonender besser über längere Zeit halten (wer weiß wie schwer es ist, seinen Laufstil nachhaltig zu verändern, fühlt vielleicht mit), ich konnte auch Laufenheiten immer öfter mit weniger Schmerzen absolvieren. Kein pochender Fuß mehr in der Nacht, kein Anlaufschmerz am Morgen und nach längerem Sitzen. Es ist noch Work in Progress, aber ich fühle, wie nicht nur der Schwung in meinem Laufstil zurückkommt, sondern auch der Spaß wieder zunimmt. Ja, ich lache manchmal laut beim Laufen. Vor Freude. Vor Ungläubigkeit. Vor “siehste, ich hab doch Recht gehabt.” Ich danke meiner inneren Erwachsenen, dass sie mir immer wieder ins Ohr geflüstert hat: ‘du schaffst das, ich glaube an dich, verliere nicht die Geduld’ und: ‘gute Dinge brauchen Zeit’.
warum ziele manchmal hinderlich sind.
Die Menschen, mit denen ich arbeite kommen oft aufgrund eines Ziels zu mir, das sie glauben zu haben. Und alles, woran sie denken können, ist jeden Tag: ich bin noch nicht da. Sie denken also nur an dieses Ziel und wie weit und schwer es ist, dorthin zu kommen. Anstelle sich also auf die notwendigen Schritte im Hier und Jetzt zu konzentrieren, fixieren sie sich auf das Outcome. Das Outcome, oder das Ziel aber verändert nicht das Leben. Es ist der Weg dahin, der dein Leben verändern wird. Es sind all die kleinen Learnings, die du auf dem Weg haben wirst und haben kannst. Ja: kannst! Denn ein Weg voller Drawbacks, Hürden und Schlaglöcher ist so ein reicher Schatz an Lektionen. Ich wäre wahrscheinlich nur ein halb so guter Coach, wenn mir in meinem Leben alles immer leicht gefallen wäre und ich dafür hätte nichts tun müssen. Ich werde oft gelobt für meine Einsicht und meine Empathie. Und das ist nichts, für das ich als Kind in den Zaubertrank gefallen bin, sondern weil ich an all diesen Stellen im Leben schon war oder täglich immer wieder bin. Das, was mich hier vielleicht von dir unterscheidet, ist, dass ich den Moment zwischen Aktion und Reaktion, die Sekunde zwischen Ursache und Wirkung nutze, um mir das Ganze mal genauer anzuschauen. Ich bremse, wenn ich ein Schlagloch sehe und erlaube mir herauszufinden, ob der einzige Weg der ist der mittendurch geht, oder ob es andere Möglichkeiten gibt. Allzuoft ist die Geschwindigkeit das, was den Unterschied ausmacht.
was du tun kannst, das tue!
Was will ich dir mit diesem Artikel nun sagen? Wenn du ein Schmerzthema hast oder an einem Punkt bist, an dem du dich nicht gut fühlst, was auch immer das sein mag, konzentriere dich auf das, was du in diesem einen Moment für dich tun kannst. Wie kannst du es dir leichter machen? Kannst du Tempo rausnehmen? Und am allerwichtigsten ist außerdem die Frage: tue ich wirklich alles mir mögliche, um diese Situation für mich zu verbessern oder warte ich auf den Retter, der mir das alles abnimmt? Mache ich die Basics? Oder bemitleide ich mich auch ganz gerne in diesem suboptimalen Zustand? Wir können nicht immer frei entscheiden, was wir tun. Job, Familie, Verpflichtungen, all das hält uns oft busy und das ist vor allem für Frauen relevant. Aber es gibt sie die kleinen Momente, in denen wir mit der minimalen Kontinuität unseres Verhaltens einen Unterschied machen können.
Also, worauf wartest du noch? Fang einfach an.
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